Rezension

zu „Kristin Riepenhoff, Herrliche Schwere. Bildkonzepte der Herrlich-keit Gottes nach Kunstwerken von Richard Serra, Paderborn 2019 (ikon. Bild + Theologie)“

Schon der Anstoß zu der Monographie „Herrliche Schwere. Bildkonzepte der Herrlichkeit Gottes nach Kunstwerken von Richard Serra“ von Kristin Riepenhoff macht die Besonderheit dieser an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster im Jahr 2019 eingereichten Dissertation deutlich: eine unvorbereitete Begegnung der Autorin mit der Arbeit Circuit (1971/89) des zeitgenössischen US-amerikanischen Bildhauers Richard Serra. Circuit ist eine Rauminstallation in einem quaderförmigen Baukörper, bei der vier riesige Walzstahlplatten (je 354 x 796 x 3,2 cm), die auf ihren schmalen Längsseiten aufgerichtet sind, aus den Wandecken aufeinander zulaufen. Überraschend und zugleich herausfordernd ist die aus dieser Begegnung erwachsene Fragestellung, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt: „Wie können tonnenschwere Stahlplatten zeitgenössischer Kunst göttliche Herrlichkeit wahrnehmbar und beschreibbar machen?“ Die Autorin löst die inhärente Spannung dieser Frage durch eine Analyse der im Alten und Neuen Testament gängigen Begrifflichkeiten kābôd/dóxa sowie der jüdisch-christlichen Bildtraditionen und durch eine Beschreibung ausgewählter Kunstwerke Serras auf, indem sie ihnen das Prinzip der „Schwere“ zuordnet. Riepenhoff führt in ihrer Arbeit vor, wie das Verknüpfen der Wirkung zeitgenössischer Kunstwerke auf die Rezipientin mit theologischen Reflexionen zu neuen, bildtheologisch fundierten Beobachtungen führt, die das Erscheinen Gottes erschließen können. Sie stellt in ihrer Arbeit dar, dass bereits im Alten Testament der hebräische Begriff kābôd die Konnotationen der physischen Schwere bzw. sozialer Gewichtigkeit beinhaltet, die sich über das griechische dóxa in der Septuaginta und dem Neuen Testament sowie am lateinischen gloria bis heute nachzeichnen lassen. Das Erfassen göttlicher Herrlichkeit als einem bildlichen Phänomen durchzieht die Konzeption der vorliegenden Arbeit. Die Autorin macht dabei deutlich, dass neben dem in der Forschung bislang vornehmlich untersuchten Phänomen des Erscheinens im Licht auch die Schwere als ein Erscheinungsmodus der Herrlichkeit in den Blick zu nehmen ist. „Schwere“ kann damit eine Möglichkeit bieten, dass sich der unsichtbare und prinzipiell entzogene Gott dem Menschen wahrnehmbar und auch beschreibbar macht. Dass und wie dies funktioniert, erörtert Riepenhoff eindrucksvoll in den vier zentralen Teilen ihrer Dissertation.

Die Autorin stellt zunächst (Kapitel II, 11–85) den Bildhauer Richard Serra, seine Biographie und die Grundlinien seines Œuvres vor, um dann ausgewählte Werke, die mit Schwere und Gewicht experimentieren, detailliert zu beschreiben und zu untersuchen. Dabei gehört es zu der Methodik dieses Kapitels, dass die Autorin bei der Beschreibung die Rolle einer Perzipientin einnimmt, die in ihrer Betrachtung durch Bewegung selbst zu einem erweiterten Subjekt des Werkes wird (13). Riepenhoff zeigt, dass Serra Produkte der Schwerindustrie in die Kunstwelt überträgt, um Gewicht, Druck, Masse und Statik des Materials wahrnehmbar zu machen. Zugleich zieht sich die Gestaltung von Raum – insbesondere in seinen paradoxen Strukturen von Unten und Oben, Innen und Außen, Gegeneinander und Ineinander – durch sein Schaffen, die in seiner Komplexität nicht durch einen festen Betrachtungspunkt, sondern vielmehr durch das Begehen bzw. Umlaufen der Arbeiten erfasst werden kann. Riepenhoff setzt sich dann mit den von ihr ausgewählten Werken auseinander, im Einzelnen sind dies: To Lift (1967), Circuit (1972/89), Terminal (1977), Berlin Block (for Charlie Chaplin) (1977), The Matter of Time (1994–2005), Torqued Ellipse (2003–04) und Torqued Spiral (Closed Open Closed Open Closed) (2003). Bis auf To Lift, das aus vulkanisiertem Gummi gefertigt ist, handelt es sich um Stahlprodukte, die sich über ein künstlerisches Wirken von fast 40 Jahren erstrecken und die verschiedene Werkarten bzw. -gruppen Serras präsentieren.

Riepenhoff beschreibt eingängig, wie schon in dem frühen Werk Lift der Umgang des Künstlers mit Schwere und paradoxen Raumerfahrungen deutlich wird: Aus einem flächigen Werkstück mit exakt geraden Kantenlinien sowie planer Ober- und Unterseite wird durch das Anheben an einem Punkt eine plastische Arbeit, die sich selbst durch die Kräftebalance in ihrer Form hält (26–34). Circuit, das mit seinen 354 cm hohen Stahlplatten, die auf einer 3,2 cm schmalen und 796 cm langen Kante stehen, nur durch die Einlassung in die Gebäudeecken Stabilität erlangt, zieht die Perzipientin unausweichlich in ihr Kräftefeld. Riepenhoff beschreibt eingängig die physisch und psychisch fordernde Situation bei der Begehung dieses Werkes, den Eindruck von Horizontalität und Distanz, der sich in Vertikalität und Nähe wandelt, ebenso wie das Gefühl der Enge, das sich in Offenheit verflüchtigt. Trotz der überaus klaren Struktur des Werkes wird diese in der Bewegung immer wieder in Frage gestellt: Die Wahrnehmung des Ganzen wird geradezu unmöglich. So erzeugt Circuit beim Gehen ein Schwerefeld, das eine Auseinandersetzung der Perzipientin nicht nur mit dem Kunstwerk, sondern auch mit sich selbst hervorruft (34–44). Eine ähnliche Erfahrung beschreibt Riepenhoff bei der Umrundung von Terminal (1977), auch hier besteht die Schwierigkeit, beim Rundgang um das Werk einen Überblick über die Gestalt zu bekommen: Der eigentlich einfachen Grundstruktur, die erst beim Betreten des Inneren erfasst wird, stellt sich dieser erste, komplexe Eindruck kontrastiv entgegen. Terminal ist für die vorliegende Arbeit ein zentrales Kunstwerk, da es zum einen Schwere als etwas wahrnehmbar macht, das durch den Akt des Aufrichtens erzeugt und durch die enorme Höhe der schweren Platten gesteigert wird, und da es zum anderen das Erfassen von Strukturen und gleichzeitige Entziehen dieser erlebbar macht (45–59). Im Gegensatz dazu gewinnt die Arbeit Berlin Block (for Charlie Chaplin) (1977) ihr energetisches Potenzial durch Absenkung. Riepenhoff verdeutlicht, wie durch Neigung und Drehung des Kunstwerks ein Spannungsfeld zwischen nahegelegenem Gebäude und Skulptur erzeugt wird (59–69). Die Wirkung von Schwere im Raum konstatiert die Autorin in prägnanter Weise auch bei Torqued Spiral (Closed Open Closed Open Closed) (2003). Sie beschreibt eindrucksvoll wie die Phänomene Desorientierung und Schwere durch das Erzeugen von Enge und Weite sowie Licht und Verdunkelung beim Durchschreiten des Kunstwerks erreicht werden (69–85).

Im zweiten Teil ihrer Arbeit (Kapitel III, 87–195) entwickelt Riepenhoff die theologische Frage nach der Herrlichkeit Gottes auf der Grundlage biblischer Schriftzeugnisse. Sie erörtert, wie sich Gott im biblischen Zeugnis unter den Bedingungen menschlichen Sehens und Wahrnehmens in seiner Herrlichkeit zur Erscheinung bringt. Sie legt ihren Ausführungen dabei die These zugrunde, dass die Herrlichkeit Gottes biblisch als Phänomen präsentiert wird, das durch spannungsvolle Bilder, Bildformen und Bildkonzepte erzeugt wird, in denen sich der unsichtbare Gott den Menschen zeigt, ohne dabei ganz zum Gegenstand von Anschauung zu werden (87). Riepenhoff stellt zunächst Konzepte vor, die aus der Umwelt des Alten Orients erwachsen und alttestamentlich mit dem kābôd-Begriff verknüpft werden. Sie macht dabei deutlich, dass kābôd vielfältige Konnotationen hat, in die auch differente Phänomene von physischer Schwere und sozialem Gewicht eingewoben sind. Wie diese dann in einem religiös-jüdischen Kontext in Ezechiels Thronwagenvision ihren zentralen Ausdruck finden, in der die Spannung zwischen der prinzipiellen Unsichtbarkeit und Entzogenheit Gottes und zugleich das Streben des Menschen, die göttliche Präsenz zu beschreiben, bildlich besonders reich ausgestaltet wird, kann Riepenhoff überzeugend aufbereiten. Um diese Entwicklung nachzuvollziehen, fokussiert Riepenhoff auf den Begriff kābôd JHWH und ordnet ihm drei Motivkreise zu: Wetter- und Naturphänomene (101–107), Lichterscheinungen (108–113) und JHWHs Königtum (113–127), in denen die Auflösung von Grenzen zwischen Innen und Außen sowie Tempel und Welt bereits angelegt ist. In ihrer Analyse von Ez 1 stellt Riepenhoff dann vor, wie in der Beschreibung Ezechiels eine „konkret-wahrnehmbare Manifestation göttlicher Präsenz in Licht- und Raumphänomenen“ (141) entstanden ist, deren besondere Pointe darin liegt, dass „gerade mithilfe von Bildern eine bildliche Gestalt Gottes verschleiert werden soll“ (145). Riepenhoff kann auf der Grundlage ihrer sorgfältigen Textuntersuchung überzeugend zusammenfassen, dass mittels der Phänomene Licht und Raum die Paradoxa Enthüllen – Verbergen, Gestalthaftigkeit – Gestaltlosigkeit sowie Stabilitas – Mobilitas, Nähe – Distanz zum Ausdruck gebracht werden, durch die Ezechiel den kābôd JHWH erkennen und wiedererkennen kann.

Im nächsten Schritt geht Riepenhoff der Frage nach, wie ein bildliches dóxa-Verständnis des Neuen Testaments an die zuvor entwickelten Bildformen des Alten Testaments anknüpft bzw. sich von ihnen unterscheidet (155–195). Dabei bringt sie die Problematik mit ihrer Frage „Wie lässt sich das Erscheinen Gottes in seiner Herrlichkeit denken, wenn der himmlische König Mensch wird und sich auf Erden zugänglich macht?“ (156) oder kurz „Gott wird Mensch“ (165) ganz klar auf den Punkt. Um die Lösung dieses Dilemmas zu erfassen, konzentriert sie ihre Analyse v. a. auf das Johannesevangelium und zeigt darin bildlich-räumliche Strukturen auf, durch welche die göttliche Herrlichkeit gerade im erniedrigenden Kreuzestod zur Anschauung und Wahrnehmbarkeit kommt (164–195). Sie macht dies daran fest, dass Johannes die Rede von der Herrlichkeit bereits an die Passion knüpft – also nicht erst im Blick auf die Auferstehung entwickelt – und mit dem konkret sichtbaren Kreuz verbindet. Dabei kann Riepenhoff textbasiert nachzeichnen, wie das Kreuz als bildlich-räumlich konzipierter Ort der Offenbarung göttlicher Herrlichkeit in einem Zusammenhang mit alttestamtlichen Bildkonzepten im Kontext des kābôd JHWH steht, sie erkennt insbesondere in der in Num 21,8 beschriebenen Schlangenstandarte ein Vorbild für das Bildkonzept Kreuz. Ergiebig ist in diesem Zusammenhang ihre Beobachtung, dass die Grenze zwischen Himmel und Erde nicht wie bei den alttestamentlichen Erscheinungen des kābôd JHWH in einer Abwärtsbewegung (von oben nach unten) durchbrochen wird, sondern in einer Aufwärtsbewegung.

Nachdem Riepenhoff die biblischen Begriffe kābôd und dóxa im Hinblick auf bildlich-räumliche Konzepte des Ineinanderfließens von himmlischer und irdischer Sphäre auf der Grundlage von ausgewählten Textstellen nachgezeichnet hat, lenkt sie in Kapitel IV (197–306) ihren Blick auf Bild-, Kunst- und Bauwerke. Orientiert an den zuvor entwickelten biblischen Konzepten der Erhöhung am Kreuz und des Thronwagens, untersucht sie dazu zunächst Bildwerke der frühchristlichen Buchmalerei sowie Kunstwerke des italienischen bzw. römischen Barock, um so zu prüfen, ob die zuvor in den Texten identifizierten Bildformen der Schwere und des Lichts hierin ebenso relevant für die Darstellung der göttlichen Herrlichkeit sind (199). Sie wählt als Grundlage dieser Untersuchung zwei Bildwerke der Buchmalerei aus dem syrischen Rabula-Evangeliar (um 586 n. Chr.) und eine Miniatur aus der zwölfbändigen topographia cristiana des Kosmas Indikopleustes (9. Jh. n. Chr.). Riepenhoff beschreibt zunächst die Kreuzigungsminiatur des Rabula Evangeliars ausführlich (204–210), und beobachtet, dass darin der Moment des Übergangs zwischen dem irdischen Leben Jesu Christi und seiner himmlischen Herrschaft sowohl auf der narrativen Ebene nachgezeichnet als auch durch formal-strukturelle Strategien der Rauminszenierung präsentiert wird (210f.). Auch das zweite von Riepenhoff in diesem Kapitel untersuchte Bildwerk, ascensio, ist dem Rabula Evangeliar entnommen. Auf der Grundlage einer aufmerksamen Beschreibung erörtert sie, wie die Sichtbarkeit Gottes in seiner Herrlichkeit hier ins Bild gesetzt wird. Dabei identifiziert sie die Gloriole auf dem Thronwagen als zentrales Bildmerkmal: Die blaue Lichtumgebung wird zum Ort der himmlischen Sphäre stilisiert, in die Christus im Habitus eines römischen Imperators eingefügt ist, und sich im Übergang zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit befindet. Die zusammenfassende Feststellung von Riepenhoff, dass in ascensio die alttestamentliche Thronwagenvision mit der neutestamentlichen Vorstellung von der Himmelfahrt Christi bildlich verbunden wird (217), ist durch die detaillierte Betrachtung und eine wohl gesetzte Leserführung gut nachvollziehbar und einleuchtend. Um das Motiv der Himmelfahrt/Himmelsreise zeitgeschichtlich einzusortieren, fügt Riepenhoff einen Exkurs jüdisch-mystischer Himmelsreisen und Aufstiegsapokalypsen an (220–243). An ausgewählten Textbeispielen führt sie vor, wie in diesem Umfeld bereits die Sphäre des göttlichen Throns als Übergangsbereich vorgestellt wird, an dem das Sehen der königlichen Erscheinung Gottes für den Menschen gerade noch zu ertragen ist (237). Die weitere bildliche, christliche Entwicklung des Himmelfahrtmotivs stellt Riepenhoff anhand der sogenannten Vatikanischen Kosmas Handschrift aus der topographia christiana vor (243–246 n. Chr.). In dieser werden die Motive göttlicher Thronwagen und Gloriole neu kontextualisiert, indem sie nicht mehr den Moment des Entzugs präsentieren, sondern zu einer Szenerie statisch, unsichtbaren Thronens im Himmel werden. Im Vergleich zeigt Riepenhoff geschickt auf, wie die Gloriole in ascensio die Frage nach dem Wohin darstellt, in der Kosmas Handschrift jedoch die Frage nach dem Wo verbildlicht.

Nun vollzieht Riepenhoff einen recht großen Zeitensprung vom frühen Christentum in das Zeitalter des Barock. Sie begründet diesen damit, dass das Thema der erscheinenden Herrlichkeit Gottes nach den frühchristlich eingeführten Bildtypen erst wieder im Barock entscheidend entwickelt wurde. Dabei belegt Riepenhoff, wie nun die Glorie zum Bildprinzip wird, um die Erscheinung göttlicher Herrlichkeit und ihre Wahrnehmbarkeit durch den Menschen darzustellen. Die bildliche Darstellung der Glorie in Raffaels Vision des Ezechiel sieht Riepenhoff als zentrale Neuerung (249): Der Himmel öffnet sich und goldenes Licht wird sichtbar, das den Raum erfüllt. Raffael ersetzt somit die klar umrissene Gloriole durch lichtdurchflutete Wolken, die auf die Erde strahlen. Nachdem Riepenhoff mittels des ausgewählten Bildes eindrücklich aufgezeigt hat, dass die Herrlichkeit Gottes als Lichtphänomen mit Raffael zum maßgeblichen Bildprinzip der barocken Kunst wurde (251), beobachtet sie die weitere Ausgestaltung der Glorie an Tizians La Gloria (1551–1554), Andrea Pozzos Deckenfresko im Langhaus von Sant’Ignazio in Rom sowie Francesco Borrominis San Carlo alle Quattro Fontane in Rom. Sie verfolgt dabei die These, dass die christliche Tradition der bildlichen Darstellung der Erscheinung göttlicher Herrlichkeit im Barock zu einem Repertoire von Bildformen und -strukturen anwächst, das sich in räumlichen sowie lichthaften Aspekten konzentriert (252).

Durch ihre scharfsinnige Analyse gelingt es Riepenhoff, in Tizians La Gloria sowohl die Trennung der göttlichen Sphäre vom darunterliegenden himmlischen Bereich und der irdischen Landschaft am unteren Bildrand nachzuweisen, als auch aufzuzeigen, wie diese Ebenen bildstrukturell miteinander verwoben sind und sie dadurch die Ausdrucksformen göttlicher Herrlichkeit – Schwere und Licht – nicht nur darstellen, sondern in Spannung halten (252–262). Das Glorienlicht wird von der Deckenmalerei des Barock als eine Art „Wolkenröhre“ ausgebildet, die den Betrachtenden geradezu in die Höhe zieht. Diese Raumillusion erfährt in dem Deckenfresko von Sant‘Ignazio einen Höhepunkt (265). Faszinierend ist in diesem Teil der Arbeit ein Perspektivwechsel, der Riepenhoff von der Betrachterin zur Beobachterin werden lässt, die sich durch den Kirchenraum bewegt und so in das räumliche Geschehen der Glorie eingebunden wird. Sie kann auf diese Weise sehr anschaulich darstellen, wie die Glorie in dem Langhausfresko als Bildprinzip eingesetzt wird, das überirdische, himmlische und göttliche Erscheinungen zu einer bewegten Bildlichkeit zwischen Oben und Unten formiert, die der Perzipientin zugleich zugänglich gemacht als auch entzogen sind (306). Welche Konsequenz es hat, die Glorie von der Bildmotivik in die Bildstruktur zu überführen, macht Riepenhoff abschließend an Francesco Borrominis San Carlo alle Quattro Fontane deutlich. Dieser repräsentiert einen bilderarmen Typus barocker Sakralbauten in Rom und macht somit schnell deutlich, dass hier der Raum an sich thematisiert wird. Anhand des in diesem Teil der Arbeit umfangreichen Bildmaterials (Abb. 16–22) wird augenscheinlich, dass Borromini formal gegensätzliche Strukturen verwendet und sie zueinander in Beziehung setzt: konvexe und konkave Schwünge, aufwärts und abwärts verlaufende Biegungen, Vorsprünge und Aushöhlungen (285–306). Auch hier zeigt Riepenhoff, wie durch die Bewegung im Raum erfahrbar wird, dass Borromini Kreis und Ellipse so ausformt, dass sie den statischen Raum in Bewegung versetzen. Von hier aus schlägt Riepenhoff den Bogen zurück zu Serra, der mit seinen Torques Pieces dieses formale Prinzip Borrominis aufgegriffen hat.

Riepenhoff schließt ihre Arbeit zusammenfassend mit fünf Thesen (308–322), die an dieser Stelle wiedergegeben werden, um zum einen das Potenzial der Arbeit zu verdeutlichen und zum anderen Lust auf das Lesen dieser exzellenten Monographie zu machen.

These 1) Das Erscheinen der Herrlichkeit Gottes in physischer Schwere ist vorstellbar, insofern die Herrlichkeit Gottes als körperlich konstituiertes Phänomen und Schwere als dessen Eigenschaft verstanden werden.

These 2) Die Schwere, in der sich Gott in seiner Herrlichkeit wahrnehmbar macht, ereignet sich als dynamisches Geschehen. Schwere ist dabei mit Serra a) als raumkonstituierendes Geschehen, b) als räumliches Geschehen, das sich auf einen Ort bezieht, und c) als schwellenbildendes Geschehen zwischen räumlichen Strukturen zu verstehen.

These 3) Die Schwere als Erscheinung göttlicher Herrlichkeit tritt – je nach Kontext – in unterschiedlichen Formen auf, die ihre unmittelbare und vehemente Wirkung durch die der Schwere eingeschriebenen Formen von Labilität beziehen.

These 4) Die Gestalt, in der sich die Herrlichkeit Gottes als Schwere präsentiert, legt sich dem Menschen in ihrer inneren Logik anschaulich dar, ohne von der menschlichen Wahrnehmung einholbar zu sein.

These 5) Gottes herrliches Erscheinen in Schwere ist aus sich heraus ausgerichtet auf den Menschen. In seiner Unmittelbarkeit fordert es eine umfassende Aufmerksamkeit ein, die den ganzen Menschen auf eine Weise erfasst und involviert, durch die seine eigene Wahrnehmung zu Inhalt und Thema des Erscheinenden wird.

Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ein Abbildungsverzeichnis mit ausführlichen bildrechtlichen Angaben beschließen die Arbeit.

Riepenhoff führt in ihrer Arbeit sowohl analytisch als auch innovativ vor, wie mit einem interdisziplinären, bildtheologischen Ansatz die Herrlichkeit Gottes neu untersucht und erfasst werden kann. Ausgehend von den gewaltigen Werken Richard Serras und auf der Basis von biblischen Texten erfasst sie das Auftreten göttlicher Herrlichkeit als Phänomen der Schwere und kann so die bereits alttestamentlich angelegten Konzepte vom Sichtbar- und Wahrnehmbarwerden des kābôd JHWH neu konzeptionalisieren. Sie zeigt an biblischen Texten sowie an überzeugend ausgewählten Beispielen jüdischer und christlicher Bildtraditionen, dass neben den Bildformen des Lichts vor allem räumliche Strukturen eine zentrale Rolle spielen, um die Herrlichkeit Gottes im Spannungsfeld von Transzendenz und Visualität darzustellen. Vor diesem Hintergrund kann sie als physisch involvierte Perzipientin die Werke Serras als Ausdruck „Herrlicher Schwere“ beschreiben und neu wahrnehmbar machen.

Insgesamt ist dies eine Arbeit, die das Potenzial der bildtheologischen Forschung eindrucksvoll vorführt und sicherlich ein Impuls für weitere derartige Auseinandersetzungen ist.