5 Fragen an
Prof. Dr. Claudia Gärtner

Ein Interview von bildtheologie.de

Prof. Dr. Claudia Gärtner ist seit 2011 Professorin für Religionspädagogik an der Technischen Universität Dortmund, wo sie seit 2017 die Arbeitsstelle Religiöse Bildkompetenz und Bilddidaktik leitet. Ein bildtheologischer Forschungsschwerpunkt begleitet ihren wissenschaftlichen Werdegang seit ihrer Beschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Lehrerbildung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Ihre systematisch-theologische Promotion mit dem Titel Gegenwartsweisen in Bild und Sakrament. Eine theologische Untersuchung zum Werk von Thomas Lehnerer, die im Jahr 2002 im Verlag Ferdinand Schöningh erschien, war und ist ein Vorbild für bildtheologische Arbeiten. Die Bildtheologie zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Publikationen. Gärtners Habilitationsschrift Ästhetisches Lernen. Eine Religionsdidaktik zur Christologie in der gymnasialen Oberstufe, 2011 im Verlag Herder erschienen, erschließt unter Berücksichtigung kunstpädagogischer Ansätze praktische Dimensionen ästhetischen Lernens aus religionspädagogischer Perspektive. Religiöses Lernen mit Bildern ist seither zu einem zentralen Thema für Gärtner geworden.

  1. Worin gründet Ihre intensive Beschäftigung mit bildtheologischen Fragestellungen?

    Ich habe Kunst und Theologie studiert. In den ersten Semestern habe ich immer etwas verächtlich auf zeitgenössische religiöse Kunst geschaut. Ich kannte fast ausschließlich brave katechetische „Gebrauchskunst“ in Schulbüchern, die ich künstlerisch sehr dürftig fand. Während eines Auslandsstudiums in Paris war ich in einer Kirchengemeinde aktiv, die am Wochenende durch Pariser Museen zog. Dort wurden mir die Augen geöffnet, wie viel theologisches und religiöses Potenzial gerade auch in moderner und zeitgenössischer Kunst steckt. Seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen.

  2. Inwiefern bereichert die Bildtheologie die akademische Theologie im Allgemeinen und die Religionspädagogik im Speziellen?

    Die Religionspädagogik ringt mit der Frage, wie und wo religiöse Erfahrungen und Traditionen heute in einer religionspluralen und säkularen Gesellschaft wahrgenommen werden. Klassische Orte wie die Kirchengemeinde und tradierte Kommunikationsformen in Predigt und Katechese werden kaum noch wahrgenommen. Künstler*innen jedoch setzen sich bis in die Gegenwart hinein immer wieder mit grundlegenden existenziellen und religiösen Fragen auseinander, knüpfen dabei teils an religiöse Bildtraditionen an und transformieren diese zugleich gegenwartssensibel. Diese Kunstwerke sind somit ein spannender Ort, um mit Menschen über Gott und die Welt in Austausch zu kommen. Zugleich eröffnen die Kunstwerke hierbei oftmals neue Perspektiven auf religiöse Fragestellungen, die wiederum Religionspädagogik und Theologie zu denken geben.

  3. Welche Besonderheiten prägen Ihre eigene bildtheologische Arbeitsweise als Religionspädagogin?

    In den letzten Jahren habe ich verstärkt begonnen, die religionsdidaktische Wirkung und Funktion von Kunst auch empirisch zu untersuchen. Religionsdidaktisch werden oftmals große Hoffnungen in die Auseinandersetzung mit Kunst gesetzt. Die Ergebnisse der Studien zeigen hingegen auf, dass längst nicht alle der anspruchsvollen Lernziele erreicht werden. Im Gegenteil: Oftmals scheinen Lernende besonders wenig Energie in die Auseinandersetzung mit Kunst zu investieren, da Kunst vermeintlich so leicht zu erschließen ist. Hier hat die Religionspädagogik noch viel Lern- und Forschungsbedarf!

  4. Welche Fragen auf dem Gebiet der Bildtheologie sind in Ihren Augen besonders aktuell und bedürfen dringend einer wissenschaftlichen Bearbeitung?

    Neben der empirischen Erforschung sehe ich aus religionspädagogischer Perspektive insbesondere zwei Gebiete: Zum einen müssen wir uns verstärkt interreligiös sensibel Bilderwelten und -praktiken nähern. Zum anderen suchen viele Menschen heute in Religion nicht mehr nach dogmatischen Wahrheiten, nach theologischer oder moralischer Orientierung. Vielmehr suchen sie religiöse Erfahrungen und Atmosphären, sie sind stärker auf einer Gefühls- als auf einer Kognitionsebene ansprechbar. Diesbezüglich besitzen Kunstwerke hohes Potenzial. Allerdings stellt sich dabei die Frage, welchen Stellenwert dann noch die Bildtheologie als wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kunst besitzt. Die Bildtheologie muss daher ihr Verhältnis zu einer auch emotional geprägten Bilderpraxis und Bildrezeption reflektieren.

  5. Die Auseinandersetzung mit welchem Kunstwerk empfehlen Sie Nicht-TheologInnen, um sich einer dieser bildtheologisch akuten Fragestellungen anzunähern.

    Das internationale Künstlerkollektiv Slavs and Tatars hat einige sehr spannende Arbeiten realisiert, in denen ganz unterschiedliche Bildkulturen und Religionen hinterfragt werden. Auch die Grenzen der Rationalität und Kognition spielen bei ihren Kunstwerken eine große Rolle. Da geht Kunst sogar durch den Magen – mit einem Glas Sauerkrautsaft, der bei einer Installation gereicht wird.

Ich bedanke mich herzlich für das Interview.
Kristin Riepenhoff | bildtheologie e. V.


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Claudia Gärtner © Foto: Claudia Gärtner
Claudia Gärtner

Prof. Dr. Claudia Gärtner ist Professorin für Praktische Theologie sowie Leiterin der Arbeitsstelle für Religiöse Bildkompetenz und Bilddidaktik an der TU Dortmund. Sie studierte Katholische Theologie, Kunst und Erziehungswissenschaft in Paderborn und Paris. Nach ihrer Promotion an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster war Claudia Gärtner als Studienrätin und abgeordnete Lehrkraft für die Katholisch-Theologische Fakultät in Münster tätig und habilitierte 2010 in der Religionspädagogik.

Kristin Riepenhoff © Foto: Stephan Kube
Kristin Riepenhoff

Dr. Kristin Riepenhoff war bis 2021 wissenschaftliche Projektmitarbeiterin an der Arbeitsstelle für christliche Bildtheorie, theologische Ästhetik und Bilddidaktik sowie Assistentin des Studienmanagers im Studienbüro der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Münster. Sie absolvierte ihr Studium in Münster und wurde dort 2019 auf Grundlage einer interdisziplinär angelegten Dissertation mit dem Titel Herrliche Schwere. Bildkonzepte der Herrlichkeit Gottes nach Kunstwerken von Richard Serra promoviert.